Intervista
18 giugno 2006

"Wir sind nicht antiamerikanisch“

Intervista al Frankfurter Allgemeine Zeitung (versione originale)


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Italiens Außenminister Massimo D'Alema äußert sich im F.A.Z.-Gespräch über das Gefangenenlager von Guantánamo, den Rückzug der italienischen Soldaten aus dem Irak und das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten.


Die Regierung Berlusconi unterhielt engste Beziehungen zur Regierung der Vereinigten Staaten. Wie werden Sie es halten?


Wir wollen, und mein gegenwärtiger Besuch in Washington unterstreicht das, ein Freundschaftsverhältnis zu den Vereinigten Staaten. Unser Verhältnis wird durch Regierungswechsel nicht beeinträchtigt. Die Freundschaft mit Amerika ist eine tragende Säule unserer Außenpolitik. Natürlich gibt es auch Meinungsverschiedenheiten - und damit gehen wir sicher ganz anders um als die Regierung Berlusconi.


Welches sind die Differenzen?


Vor allem betreffen sie den Irak-Krieg, den wir in der Opposition immer abgelehnt haben. Aber die Differenzen reichen darüber hinaus und betreffen den Unilateralismus der amerikanischen Außenpolitik. Ich habe bei meinem Gespräch mit Außenministerin Rice aber feststellen können, daß Amerika durchaus auf der Suche nach einem neuen Multilateralismus ist. Italiens neue Regierung will ein stärkeres Europa, das zu gemeinsamem Handeln fähig ist. Ich konnte feststellen, daß das dem Konzept amerikanischer Außenpolitik nicht widerspricht. Italien wird weiter gute, aber andere Beziehungen zu Amerika unterhalten.


War die Gesprächsatmosphäre angespannt?


Nein, die Gespräche fanden in außerordentlich guter, freundschaftlicher Atmosphäre statt. Es gab ein gemeinsames Interesse: Wir wollten zeigen, daß die Regierung, der ich angehöre, nicht antiamerikanisch ist. Und die amerikanische Regierung wollte ihrer Öffentlichkeit demonstrieren, daß sie mit dem Regierungswechsel in Italien keinen Freund verloren hat - denn das wäre für sie durchaus ein Problem. Sie befindet sich zur Zeit ja nicht gerade in ruhigen Fahrwassern: Sie hat daher ein Interesse daran zu zeigen, daß sie in Europa Freunde hat.


Italien will noch dieses Jahr alle seine Truppen aus dem Irak abziehen. Was hat das Gespräch mit Frau Rice in diesem Punkt ergeben?


Ich habe nochmals unseren Plan erläutert, daß noch im Laufe des Herbstes alle unsere bewaffneten Kräfte nach Hause zurückkehren werden. Und daß wir uns zugleich weiterhin auf ziviler und wirtschaftlicher Ebene im Irak engagieren werden und uns an multilateralen Initiativen im Rahmen der Vereinten Nationen beteiligen werden.


Auch zivile Initiativen müssen militärisch geschützt werden: Dennoch soll kein einziger italienischer Soldat im Irak bleiben?


Unsere bewaffneten Kräfte werden vollständig nach Italien zurückkehren. Die Entscheidung ist gefallen, und es gab hier auch keine Einwände mehr. Die Amerikaner respektieren unsere Entscheidung.


Die amerikanische Außenministerin hat gesagt, sie wünsche sich in Nassirija, wo die italienischen Kontingente stationiert sind, eine von Italien getragene "zivile, aber beschützte Mission", die 800 Männer umfassen soll.


Dieses Projekt ist für uns nicht möglich. Wenn wir 800 Soldaten im Irak ließen, stünde das in diametralem Widerspruch zu dem, was wir im Wahlkampf versprochen hatten: daß unsere Truppen vollständig abgezogen werden sollen. Dem hat Frau Rice nicht widersprochen.


Wie steht es um das zukünftige Engagement Italiens in Afghanistan? Die amerikanische Regierung wünscht sich eine Verstärkung der italienischen Präsenz.


Darüber haben wir nicht gesprochen, denn das betrifft nicht das italienisch-amerikanische Verhältnis, sondern ist allein eine Angelegenheit der Nato.


Sie haben mit Frau Rice auch über Guantánamo gesprochen?


Sicher. Ich habe der Außenministerin die gemeinsame Position aller europäischen Außenminister vorgetragen: Wir bitten Amerika, Guantanamo zu schließen. Ich habe gesagt, daß wir gerade auch im schwierigen Kampf gegen den Terrorismus die Menschenrechte ohne Abstriche achten müssen.

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